Festnahme von «El Chapos» Sohn entfacht Gewaltwelle in Mexiko (2024)

Mexikos Sicherheitskräfte haben Ovidio Guzmán López festgenommen. Das Sinaloa-Kartell reagiert darauf mit Gewalt, bisher sollen 29 Personen gestorben sein. Die USA machen Guzmán für die Flut von Drogen wie Fentanyl verantwortlich.

Thomas Milz, Rio de Janeiro

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Festnahme von «El Chapos» Sohn entfacht Gewaltwelle in Mexiko (1)

Mit Terror hat das Sinaloa-Kartell in der im Nordwesten Mexikos gelegenen Stadt Culiacán auf die Festnahme von Ovidio Guzmán López reagiert, einem der Söhne des seit 2017 in den USA inhaftierten und dort zu lebenslanger Haft verurteilten Drogenbosses Joaquín «El Chapo» Guzmán. Der 32-Jährige, der zum Führungszirkel des Sinaloa-Kartells gehört, wurde direkt nach seiner Festnahme nach Mexiko-Stadt ausgeflogen und in das Bundesgefängnis Almoloya gebracht.

Sicherheitskräfte hatten am frühen Donnerstagmorgen einen Konvoi gepanzerter Geländewagen nordöstlich von Culiacán, der Hauptstadt des Gliedstaates Sinaloa, ausgemacht. Gegen 6 Uhr 20 sei Ovidio Guzmán nach einem Feuergefecht festgenommen worden. Daraufhin blockierten Mitglieder des Sinaloa-Kartells Strassen in Culiacán mit quer gestellten Fahrzeugen und setzten diese in Brand. Bei den Feuergefechten sollen laut Medienberichten bisher 29 Personen ums Leben gekommen sein – 10 Sicherheitskräfte und 19 Banditen. 35 Personen wurden verletzt, 21 Personen festgenommen.

Este video es el que más me ha impactado; a esto de enfrenta el ejército mexicano en Culiacán tras la detencion de Ovidio Guzmán. pic.twitter.com/lmhHQGvIJS

— @QuePasaEnNL ®️ (@LoQuePasaEnNL) January 5, 2023

Festnahme als Signal an Joe Biden

Für die mexikanische Regierung ist die Festnahme ein dringend benötigter Erfolg im Kampf gegen die Kartelle. Erst am Sonntagmorgen hatte die Gang Los Mexicles ein Gefängnis in Ciudad Juárez an der Grenze zu den USA attackiert und mehrere ihrer Mitglieder befreit. Dabei kamen unter anderem zehn Sicherheitskräfte ums Leben. Am Donnerstag war es gelungen, Ernesto Alberto Piñón de la Cruz, den geflohenen Anführer der Bande, zu töten.

Der Angriff auf die Haftanstalt stellt trotzdem die Schlagkraft der 2019 von Präsident Andrés Manuel López Obrador aufgestellten Guardia Nacional infrage. Sie soll das organisierte Verbrechen bekämpfen. Die Gewalt nahe der US-Grenze beunruhigt zudem die amerikanische Politik. Zuletzt wurde in El Paso, der amerikanischen Zwillingsstadt von Ciudad Juárez, wegen des Ansturms von Migranten der Notstand ausgerufen.

Die Themen Sicherheit und Migration stehen ganz oben auf der Agenda des anstehenden Nordamerika-Gipfels. Der amerikanische Präsident Joe Biden und Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau werden dazu am 10.Januar in Mexiko-Stadt mit ihrem Amtskollegen López Obrador zusammentreffen. Biden plant im Rahmen seiner Mexiko-Reise auch einen Zwischenstopp an der Grenze.

Festnahme von «El Chapos» Sohn entfacht Gewaltwelle in Mexiko (2)

Mexikanische Medien bezeichneten Guzmáns Festnahme als ein «Willkommensgeschenk» für Biden. Mexikos Aussenminister Marcelo Ebrard widersprach dem zwar, machte jedoch klar, dass es sich um ein Signal an Washington handele. So zeige die Aktion Mexikos Fähigkeiten bei der gemeinsam mit den USA durchgeführten Bekämpfung des organisierten Verbrechens.

Zweifel daran waren nach einer ersten gescheiterten Festnahme von Ovidio Guzmán im Oktober 2019 aufgekommen. Damals hatten Sicherheitskräfte ihn bereits festgesetzt. Aufgrund des heftigen Widerstands des Sinaloa-Kartells hatte López Obrador jedoch die Anweisung erteilt, Guzmán laufen zu lassen. Er habe ein Blutbad verhindern wollen. Zudem wurde López Obrador von mexikanischen Medien scharf kritisiert, nachdem er im März 2020 die Mutter von «El Chapo», Consuelo Loera, während eines Besuchs in Sinaloa persönlich begrüsste.

Der Präsident hält den von seinem Vorvorgänger Felipe Calderón 2006 ausgerufenen Krieg gegen die Drogen für die Gewalt verantwortlich. Die auch von den USA verfolgte «Kingpin-Strategie», die darauf abzielt, die grossen Kartellbosse wie «El Chapo» festzunehmen, ist auch unter Sicherheitsexperten umstritten. Machtkämpfe um die Nachfolge des festgenommenen Chefs führen zu noch mehr Gewalt. Stattdessen setzt López Obrador auf «Umarmungen statt Kugeln», sprich: Investitionen in den Bildungs- und Sozialbereich, um die Drogenkriminalität zu reduzieren.

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Der Aufstieg des Sinaloa-Kartells unter «El Chapo» basierte nicht hauptsächlich auf Gewalt, sondern auf Korruption bis hoch in die Politik und in die Sicherheitskräfte hinein. Calderóns Krieg gegen die Drogen führte jedoch zur Aufspaltung des Sinaloa-Kartells. So entstand 2010 das Kartell Jalisco Nueva Generación, das sich seitdem mit dem durch «El Chapos» Festnahme 2016 zusätzlich geschwächten Sinaloa-Kartell einen blutigen Kampf um die Vorherrschaft in Mexiko liefert.

Mögliche Auslieferung an die USA

Experten wie der ehemalige ranghohe Mitarbeiter der amerikanischen Anti-Drogen-Behörde DEA, Mike Vigil, sprachen in amerikanischen Medien die Hoffnung aus, dass Ovidio Guzmán nun rasch an die USA ausgeliefert wird. Aussenminister Ebrard erklärte hingegen, dass Guzmán der mexikanischen Justiz vorgeführt werde. Eine Auslieferung an die USA sei derzeit nicht vorgesehen.

2018 waren Ovidio Guzmán und sein Bruder Joaquin Guzmán López in Washington angeklagt worden, zwischen April 2008 und April 2018 Kokain, Methamphetamin und Marihuana in die USA geschmuggelt zu haben. Seit September 2019 liegt ein Auslieferungsantrag Washingtons in Mexiko. Die amerikanische Regierung hatte Ende 2021 zudem ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar auf Guzmán ausgesetzt.

So soll Guzmán Labore unterhalten, in denen monatlich zwischen einer Tonne und 2,5 Tonnen Methamphetamin hergestellt werden, aus dem das synthetische Aufputschmittel Crystal Meth hergestellt wird. Zudem soll er für den Schmuggel von Fentanyl in die USA verantwortlich sein, einem synthetischen Opioid, das normalerweise als Schmerzmittel unter anderem für Krebspatienten eingesetzt wird.

In den vergangenen Jahren haben die Kartelle neben pflanzlichen Drogen wie Kokain und Marihuana verstärkt auf synthetische Suchtstoffe wie Methamphetamin und Fentanyl gesetzt. Seit 2007 haben mexikanische Behörden alleine im Hafen Manzanillo, dem wichtigsten des Landes, rund 600 Tonnen chemischer Vorprodukte, meist aus Asien kommend, sichergestellt. Zwar hatte López Obrador versprochen, die als korrupt geltenden Zollbehörden durch das Militär kontrollieren zu lassen. Doch der Schmuggel scheint weiterhin prächtig zu funktionieren.

So gilt Fentanyl als Hauptgrund für die rasant steigende Zahl von Drogentoten in den USA. Von den rund 108000 Drogentoten im Jahr 2021 sind laut Experten rund zwei Drittel auf den Missbrauch von Fentanyl zurückzuführen. Und die Opferzahl dürfte weiter steigen: So wurden im vergangenen Jahr 379 Millionen potenziell tödliche Dosen Fentanyl sichergestellt. Dass durch Ovidio Guzmáns Festnahme der Drogenschmuggel reduziert wird, glauben weder amerikanische noch mexikanische Experten.

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